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Plan D: Sicherheitsgefühl in Deutschland: "Wenn ich meine Freunde nicht dabeihabe, fühle ich mich unwohl"© Thomke Meyer für ZEIT ONLINE

Plan D: Sicherheitsgefühl in Deutschland: "Wenn ich meine Freunde nicht dabeihabe, fühle ich mich unwohl"

Acram Shendi und Johannes Keil schrieben bei Plan D, sie fühlten sich in Deutschland nicht mehr sicher – ihre Gründe sind aber völlig unterschiedliche. Eine Aussprache

Interview: Annabel Wahba und Stefan Schirmer

28. Januar 2025, 13:39 Uhr

"Wenn ich meine Freunde nicht dabeihabe, fühle ich mich unwohl" – Seite 1

In unserem Crowdsourcing-Projekt Plan D fragen wir Leserinnen und Leser, was ihre größten Probleme in Deutschland sind und wo sie bereits Lösungen gefunden haben. Die Teilnehmer Acram Shendi und Johannes Keil finden beide, dass sich das Sicherheitsgefühl in Deutschland verschlechtert habe – aber die Gründe für ihre Wahrnehmung sind völlig unterschiedlich. Wir haben beide zum gemeinsamen Gespräch getroffen.

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Shendis Einreichung

"Deutschland und viele seiner Bürgerinnen und Bürger sind auch im Jahr 2024 mehrheitlich rassistisch. Das wäre nicht weiter ungewöhnlich, wenn sich die Öffentlichkeit und einzelne Personen nicht regelmäßig gegen jedwedes Gespräch darüber sperren würden."

Zum Originalbeitrag im Verzeichnis aller Probleme und Lösungen

Acram Shendi, 51, ist IT-Berater aus Maikammer in Rheinland-Pfalz. Seine Mutter war Deutsche, sein Vater stammte aus dem Sudan.

Johannes Keil, 20, ist Deutsch-Österreicher und studiert in Wien Jura.

Keils Einreichung

"Ich sorge mich wegen islamistisch motivierter antisemitischer und antichristlicher Übergriffe, verbaler und physischer Art."

Zum Originalbeitrag im Verzeichnis aller Probleme und Lösungen

ZEIT ONLINE: Herr Keil, Herr Shendi, Sie sorgen sich beide um die Sicherheit in Deutschland – allerdings aus entgegengesetzter Perspektive. Herr Keil sorgt sich vor islamistischen Übergriffen, Herr Shendi bekommt zunehmend Rassismus und Islamfeindlichkeit zu spüren.

Johannes Keil: Ich glaube, da gibt es schon einen Unterschied: Ich wurde noch nie körperlich angegangen. Ich muss zum Glück keine unmittelbare Sorge haben, sobald ich auf die Straße gehe. Mir macht eher die generelle Stimmung im Land und auch in Europa zu schaffen. Ich lese von islamistischen Demonstrationen, in denen ein Kalifat gefordert wird. In Wien, wo ich studiere, habe ich mitbekommen, wie Männer eine Frau in der U-Bahn angepöbelt haben, warum sie kein Kopftuch trage. Und ich habe in Frankfurt, wo ein Teil meiner Familie wohnt, erlebt, wie eine Person beleidigt wurde, weil sie mit einer gelben Schleife am Revers an die Geiseln der Hamas in Gaza erinnerte. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn die Person nicht davongelaufen wäre.  

ZEIT ONLINE: 2023 registrierte das Bundeskriminalamt 990 islamistische Straftaten, das ist ein Anstieg um rund 160 Prozent gegenüber 2022. Gleichzeitig wurden im letzten Jahr die meisten politisch motivierten Straftaten von Rechten begangen: Es waren fast 29.000, darunter 1.200 Gewaltdelikte.

Herr Shendi, Sie haben uns geschrieben, dass Sie einen zunehmenden Rassismus in Deutschland wahrnehmen. Sie sind Deutscher mit sudanesischem Vater. Hat sich Ihr Sicherheitsgefühl in den letzten Jahren verändert?

Acram Shendi: Ich wohne in einem sehr kleinen Ort in der Nähe von Mannheim – gar nicht so weit weg von Frankfurt, wo Herr Keil Familie hat. Ich war da eigentlich immer ganz glücklich. Aber ich merke, dass die Leute zunehmend enthemmter sind, wenn ihnen jemand begegnet, der wie ich als muslimisch gelesen wird. Ich möchte jetzt nicht so weit gehen wie Michel Friedman, der sagte: Die Deutschen haben den Schafspelz ausgezogen.

ZEIT ONLINE: Friedman bezog das auf die Zustimmungsraten für die AfD.

Shendi: Das drückt ganz gut mein Gefühl aus, was Rassismus in Deutschland anbelangt. Das letzte Mal, dass ich so gefühlt habe, war in den Neunzigerjahren. Ich dachte, wir hätten inzwischen gelernt, nett miteinander zu sein. Aber nun erlebe ich das Gegenteil. Neulich war ich auf der Straße unterwegs, da kam mir ein Mann entgegen, der mich anpöbelte und sich fürchterlich aufregte, dass er sich mit jemandem wie mir den Bürgersteig teilen muss. Ich bat ihn, mich in Frieden zu lassen, weil das genauso mein Bürgersteig ist wie seiner. Ich hatte den Eindruck, dass er überrascht war, dass ich genauso Deutsch spreche wie Herr Keil oder Sie beide auch. So was ist mir seit den Neunzigerjahren nicht mehr passiert. Und das finde ich beängstigend.

ZEIT ONLINE: Herr Shendi, verstehen Sie die Angst, die Herr Keil vor islamistischem Terror hat?

Shendi: Also erst mal ist Angst ja ein Gefühl. Und das verstehe ich. Ich berichte ja auch über ein ganz ähnliches Unwohlsein, wenn ich auf die Straße gehe. Aber spezifisch zu rechtem oder linkem oder islamistischem Terror – da wechsle ich von der Gefühlsebene auf die Sachebene und schaue mir die Zahlen an. Ja, es gab den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin. Es gab bei mir um die Ecke in Mannheim einen Flüchtling, der einen Polizisten niedergestochen hat. Aber es gab auch den rechtsextremistischen Anschlag von Hanau. Es gab Terroristen, die einfach wahllos auf Dönerläden geschossen haben und auf Shishabars. Ich gehe auch zwei oder dreimal im Jahr in Shishabars. Ich hätte auch da sein können. Also die Angst ist erst mal unabhängig zu betrachten von den Tatsachen. Betonklötze vor den Weihnachtsmärkten oder ganz generell, dass die Polizei mich und andere schützen muss, das ist etwas, womit man nicht leben will. Auch da stimme ich Herrn Keil zu. Aber auf der Sachebene würde ich ein bisschen versuchen, die Angst zu nehmen.

Keil: Mir geht es aber auch noch um etwas anderes, um eine Veränderung unserer Gesellschaft. In Wien wurde vor ein paar Monaten eine Statistik veröffentlicht, wonach 35 Prozent der Grundschüler mittlerweile muslimischen Glaubens sind. Ungefähr gleich viele wie christlichen Glaubens.

ZEIT ONLINE: Zur Einordnung: In den deutschen Bundesländern und Städten werden solche Zahlen nur teilweise erhoben. Man schätzt, dass etwa 15 Prozent der Schüler in Deutschland muslimischen Glaubens sind.

Keil: Meine Sorge ist, dass die Integration dieser Jugendlichen und Kinder nicht gelingt. Denn gleichzeitig gibt es Leute, die auf Social Media unterwegs sind und dort teilweise sehr radikale Sachen predigen. Es könnte sich eine Parallelgesellschaft entwickeln, die ziemlich groß ist und ziemlich viel Einfluss hat. Die größte Errungenschaft in diesem Land ist ja, dass die meisten Menschen ein friedliches Alltagsleben führen können. Ich sorge mich persönlich nicht um meine Grundrechte, und ich habe auch keine Angst vor dem "großen Austausch", wie das Rechtsextreme haben, sondern ich habe Sorge, dass die allgemeine Sicherheitslage in Deutschland schlechter wird.

Shendi: Auch ich verabscheue die islamistischen Prediger, von denen Sie gesprochen haben. Ich möchte nichts verharmlosen, ich finde es aber wichtig, über den Begriff Integration zu sprechen. In Deutschland jedenfalls läuft die Integration sehr einseitig, es wird erwartet, dass sich die Leute relativ selbstständig einen Job suchen, selbstständig Deutsch lernen. Das kann man auch erwarten von erwachsenen, gebildeten Menschen. Das kann man aber nicht unbedingt erwarten von Leuten, die bisher einfache Tätigkeiten ausgeführt haben, die zum Beispiel Erntehelfer waren oder Hilfsarbeiter. Nicht weil diese Menschen dumm sind, sondern weil sie es nicht gewohnt sind, sich auf neue Kontexte einzulassen. Ich arbeite jeden Montagabend ehrenamtlich für einen Verein, der Geflüchteten hilft, wir füllen mit ihnen Formulare aus, die so kompliziert sind, dass selbst ich als Deutscher anfangs Probleme hatte. Außerdem dauert alles Ewigkeiten. Wenn jemand hier neu ankommt, hat er erst nach sechs bis zwölf Monaten die Erlaubnis, einen Sprachkurs zu besuchen. Dann dauert es noch mal zwei Monate, bis der Sprachkurs beginnt, und noch mal einige Zeit, bis die Person die Sprache einigermaßen beherrscht. Das heißt, sie ist mindestens zwei Jahre lang auf Übersetzer angewiesen.

Keil: Vielleicht wäre es gut, die Anzahl der Geflüchteten insofern zu begrenzen, dass die Leute, die kommen, eine Chance haben, sich innerhalb eines zumutbaren Zeitraums zu integrieren und nicht fünf Jahre lang in irgendeinem Heim herumlungern müssen.

Shendi: Das ist ein naheliegender Gedanke: Wenn zu viel Wasser aus dem Hahn kommt, dann drehe ich ihn ein bisschen zu. Allerdings könnte man es auch einfach besser machen mit der Integration. Denn Deutschland braucht Arbeitskräfte, Deutschland braucht auch die Erntehelfer, über die wir gerade gesprochen haben. Letzte Woche stand in der Zeitung, dass in meinem Ort die Müllabfuhr nicht mehr regelmäßig kommen konnte für einige Wochen. Das wurde gelöst, indem nun Asylbewerber diese Arbeit übernehmen. Schon jetzt bremst der Arbeitskräftemangel unsere Wirtschaft. Natürlich müssen wir darauf aufpassen, dass die Leute sich nicht radikalisieren. Aber auch da machen wir in Deutschland vieles falsch. Das fängt bei Ditib an, dem türkisch-islamischen Verein, der Präsident Erdoğan untersteht und hier sehr viele Moscheen betreibt. Ich schaue da manchmal rein. Und da sind Sachen gepredigt worden, mit denen ich nicht übereinstimme. Es gibt aber nicht nur die Ditib, auch iranische Organisationen finanzieren hier einige Verbände.

ZEIT ONLINE: Im Juli hat das Bundesinnenministerium die "Blaue Moschee" in Hamburg geschlossen, weil dort im Auftrag des iranischen Staates "eine antisemitische und demokratiefeindliche Grundhaltung weitergetragen" werde.

Shendi: Diese Vereine treffen auf Geflüchtete, unter denen ein Gefühl von Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit herrscht. Aber die Moslems, die ich kenne, betonen, dass sie sich einer friedlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen, dass ihnen familiäre Werte sehr wichtig sind und sie nichts am Hut haben mit einem politischen Islam.

ZEIT ONLINE: Herr Shendi, Sie schrieben uns, dass Sie in der Gesellschaft insgesamt einen zunehmenden Alltagsrassismus spüren, über den aber nicht gesprochen werde. Woran machen Sie das fest?

Shendi: An meinem ersten Tag am Gymnasium in den Achtzigerjahren sagte mir mein Mathelehrer, dass Menschen wie ich nicht ans Gymnasium gehören. Diesen Rassismus gab es schon immer. Ich glaube, er ist nicht mehr oder weniger geworden, sondern aggressiver. Diese Pöbeleien auf dem Bürgersteig, von denen ich vorhin gesprochen hatte. Ein anderes Beispiel: In meiner Arbeit als IT-Berater stellt man sich mit einem Profil vor. Ich schicke da mittlerweile kein Foto mehr mit und auch nur noch meine Initialen. Seitdem ist das Kennenlernen viel einfacher. Das ist lästig, ich empfinde es aber noch nicht als übergriffig. Eine Zäsur waren für mich die Äußerungen von Friedrich Merz. Da waren "die kleinen Paschas"…

ZEIT ONLINE: So nannte Merz die Söhne von Migranten, die sich in der Grundschule respektlos verhielten und deren Eltern sich dann beschwerten, wenn Lehrerinnen die Kinder zurechtwiesen.

Shendi: Das ist bestimmt so, dass sich Eltern beschweren. Ich habe auf Elternabenden aber auch oft Deutsche ohne Migrationshintergrund erlebt, die verrückte Sachen gefordert haben. Die andere Äußerung von Friedrich Merz war, dass Deutsche keinen Termin mehr beim Arzt bekämen, weil die abgelehnten Asylbewerber alle Termine besetzen würden und sich auf Kosten der deutschen Steuerzahler die Zähne neu machen ließen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden erst einmal nur unmittelbar schmerzstillende Maßnahmen übernommen. Und selbst wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, Geflüchtete eine Duldung erhalten und dadurch eine Krankenversicherung, bekommen sie noch lange keine kostenlosen Jacketkronen oder Implantate. Das weiß Herr Merz auch. Er hat das ganz bewusst gesagt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und Stimmen von AfD-Wählern für sich zu gewinnen. Das ist Rassismus.

Keil: Ich finde diese Äußerungen von ihm falsch und kritikwürdig. Aber Friedrich Merz ist für mich einer der wenigen Politiker, der das Problem, dass es mit dem radikalen Islam in Teilen gibt, offen anspricht, gleichzeitig aber nicht so radikal ist wie rechte Gruppierungen, mit denen ich mich überhaupt nicht identifizieren kann.

Shendi: Wir reden ja hier miteinander, weil wir eine unterschiedliche Grundposition haben: Sie finden die Politik von Herrn Merz gut, ich nicht. Ich teile Ihre Beobachtung: Die Grünen, die SPD wie auch andere Parteien zeichnen sich durch Hilflosigkeit im Umgang mit dem Thema aus, aber diese Unsicherheit bräuchte es nicht. Es gibt ja durchaus Erfolge. Nehmen wir die hohen Flüchtlingszahlen von 2015. Von denen, die damals kamen, ist ein hoher Prozentsatz mittlerweile in Lohn und Arbeit.

Es ist eine deutsche Tugend, auf das zu schauen, was nicht gut läuft

ZEIT ONLINE: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das der Bundesagentur für Arbeit untersteht, hat untersucht, dass die Beschäftigungsquote unter den Flüchtlingen acht Jahre nach ihrer Ankunft bei 68 Prozent lag und damit nicht weit hinter jener der Gesamtbevölkerung, die 2023 bei 83 Prozent lag.

Shendi: Viele der Geflüchteten von 2015 kommen mittlerweile komplett ohne Hilfen aus. Die Integration ist nicht so schlecht gelaufen, nur das kommt nirgendwo rüber. Und das stört mich. Ja, das macht andere Probleme nicht wett. Niemand sollte auf die Straße gehen und eine israelische oder eine deutsche oder sonst irgendeine Fahne verbrennen. Aber es ist auch eine deutsche Tugend, gerne auf das zu schauen, was nicht gut läuft.

Keil: Mir geht es um die teilweise festzustellende Radikalisierung, und die hängt nicht immer zwingend damit zusammen, ob jemand arbeitet oder nicht.

Shendi: Das stimmt. Ich wollte nur darstellen, dass es eben auch aus der großen Flüchtlingswelle 2015 positive Beispiele und Nachrichten gibt.

ZEIT ONLINE: Herr Keil, Sie sagen, dass Ihnen die hohe Zahl an Zuwanderern Sorgen bereitet. Haben Sie dieses Gefühl auch gegenüber den aktuell 1,2 Millionen Menschen aus der Ukraine, die als Kriegsflüchtlinge gekommen sind?  

Keil: Ich will niemanden aus einem islamischen Land per se als gefährlich abstempeln. Aber ja, es gibt diese Sorge bei mir. Von den ukrainischen Kriegsflüchtlingen bekomme ich nichts Negatives mit. Ich habe noch nie von einer ukrainischen Demo oder sonstigen Vorfällen gehört, die beunruhigend gewesen wären. Im Gegensatz zu den Kalifat-Demos oder antisemitischen Übergriffen en masse.  

Shendi: Auch ich habe bei den Ukrainern wenig Kritisches mitbekommen. Ich will jetzt nicht das Klischee von der jungen blonden Lehrerin bemühen, aber es ist doch klar, dass wir es je nach Herkunftsregion und Fluchtursache mit unterschiedlichen Menschengruppen zu tun haben: Aus der Ukraine kommen viele Frauen mit Kindern.

ZEIT ONLINE: 67 Prozent der erwachsenen Geflüchteten aus der Ukraine sind Frauen, fast die Hälfte der Erwachsenen reiste mit Kindern ein.

Shendi: Unter den Schutzsuchenden aus Syrien und Afghanistan sind knapp über 60 Prozent männlich, einige alleinstehend und teilweise traumatisiert. Man darf beides nicht gegeneinander aufwiegen, aber die erste Gruppe wird natürlich offener empfangen. Ich will Ihre Bedenken nicht wegwischen, Herr Keil. Aber bei den Schlüssen, die Sie aus Ihrem Unwohlsein, aus dem Angstgefühl ziehen, bin ich anderer Meinung. Selbst wenn wir jetzt der AfD folgen und anfangen, alle kräftig Kinder zu zeugen, bekommen wir auf diese Weise frühestens in 18 Jahren neue Krankenschwestern oder Ärztinnen. Das kann doch nicht ernsthaft die Lösung sein.

ZEIT ONLINE: Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft werden schon 2027 in der Gesundheits- und Krankenpflege über 20.000 Stellen nicht zu besetzen sein.

Keil: Da würde ich entgegnen, dass man die Zuwanderung von Fachkräften nicht über das Asylsystem herbeiführt. Jedenfalls sollten wir denjenigen Migranten, die sich anstrengen, die sich bemühen, mit offeneren Armen entgegentreten – und gleichzeitig denen, die Straftaten begehen, die sich radikalisieren, mit deutlich weniger Verständnis und schärferen Maßnahmen gegenübertreten.

Shendi: Man kann sich ja wünschen, dass die Fachkräfte durch Anwerbung zu uns kommen. Aber bislang führt es ja nicht zum gewünschten Erfolg. Es spricht sich in der Welt herum, dass einem in Deutschland eine Menge Unfreundlichkeit und Bürokratie begegnet. Und auch, dass Übergriffe vorkommen.

ZEIT ONLINE: Eine aktuelle Studie von InterNations, einem globalen Netzwerk für internationale Fachkräfte, das seit Jahren regelmäßig Befragungen in 53 Ländern durchführt, zeigt: Deutschland liegt in der Beliebtheit weit hinten, auf Platz 49.

Shendi: Ich erinnere mich an einen vielsagenden Besuch des ehemaligen Finanzministers Christian Lindner in Ghana. Er besuchte eine Uni und fragte die Studenten: Wer von euch will denn nach Deutschland? Ich glaube, ganze drei haben sich gemeldet. Andere Nationen wie Schweden, Norwegen, Kanada, Neuseeland oder Großbritannien werben zugewandter, geschickter, auch lockerer um Fachkräfte.

ZEIT ONLINE: Herr Keil, hatten Sie auch schon mal Angst, von Menschen, die als migrantisch gelesen werden, auf der Straße angepöbelt zu werden?

Keil: Ich glaube, ich habe eine Größe und eine Statur, die von physischen Angriffen eher abrät. Aber ich kenne in meinem Freundeskreis durchaus Frauen, die wohl sagen würden, dass sie da mehr Angst haben, als wenn ihnen drei weiße Deutsche entgegenkommen. Das ist wahrscheinlich ein Gefühl, das sich rational nicht näher erörtern lässt.

Shendi: Solche Stereotypen, woher sie auch stammen, halten sich hartnäckig. Ich hätte diese Angst nachts auf der Straße nicht. Dafür empfinde ich Angst in anderen Situationen, zum Beispiel beim Fußball. Ich bin Fan des 1. FC Kaiserslautern, gehe oft mit Freunden ins Stadion, und dort auf der Westtribüne sind nicht nur Menschen um mich herum, die mich äußerlich gut finden. Wenn ich meine Freunde nicht dabeihabe, fühle ich mich unwohl. Das verstärkt mein Unwohlsein über die gesamte gesellschaftliche Entwicklung. Deshalb habe ich seit Kurzem ein Projekt: Ich suche mir ein Haus entlang der Fluchtroute, die viele im Dritten Reich genommen haben, in Nordspanien. Da kommt man notfalls recht schnell hin, und das soll mir als Zwischenstation dienen, um dann in ein anderes, ein stabiles Land außerhalb Europas gehen zu können. Falls die Wahlen jetzt anders ausgehen, als ich mir das erhoffe.

ZEIT ONLINE: Sie bereiten ein mögliches Exil vor?

Shendi: Ja. Es gibt Menschen in meinem Bekanntenkreis, darunter viele Kunstschaffende mit und ohne Migrationsdefizit, die mich fragen, ob ich denn gegebenenfalls noch ein Bett frei hätte. Ich habe den Ort so gewählt, dass dazwischen die Atommacht Frankreich liegt. Das sollte als Puffer also länger halten als in den 1940er-Jahren. Damit ich genug Zeit habe, um meine Angelegenheiten zu regeln. Ich habe mich lange damit beschäftigt, warum jüdische Deutsche und andere Gegner der Nazis so lange geblieben sind und gewartet haben, bis es zu spät war, zu fliehen. Den Fehler möchte ich keinesfalls machen.

Keil: Das ist natürlich schon heftig. Ich persönlich glaube zwar nicht, dass wir so kurz vor einem "Vierten Reich" stehen. Aber ich kann schon ein wenig verstehen, woher die Gedanken kommen. Ich bin mal in Österreich in eine Demo der extrem rechten Identitären Bewegung geraten. Das war gespenstisch. Herr Shendi, ich kann Ihnen nicht Ihre Angst nehmen. Ich kann nur darauf vertrauen, dass es in unserer Gesellschaft eine breite Mehrheit gibt, die wirklich keine faschistische Diktatur haben will.

ZEIT ONLINE: Was nehmen Sie beide aus diesem Gespräch mit?

Shendi: Ich habe gelernt, dass wir Gemeinsamkeiten haben, nämlich dass wir ein Grundgefühl der Sorge teilen, wenn auch in völlig unterschiedliche Richtungen. Ich halte Sie nicht für rechts, Herr Keil. Ich glaube, es gibt auf beiden Seiten viel Aufklärungsbedarf. Aber ich stehe auch weiter zu meiner Haltung: Ich fand es schon immer seltsam, dass Attentäter, die Weihnachtsmärkte überrollen, als Teil einer Bewegung gesehen werden, während Rechtsextreme, die CDU-Politiker erschießen oder eine Synagoge überfallen wollen, als Einzeltäter gelten. Jedenfalls finde ich es gut, dass wir hier sprechen. Und ich würde mich freuen, wenn wir das in Wien, wo ich demnächst bin, fortsetzen können.

Keil: Sehr gerne. Auch ich muss sagen, ich habe viele neue Sichtweisen kennengelernt, die meinen Horizont erweitern. Ich spreche eher selten mit Leuten, die so viel wie Sie mit Flüchtlingen zu tun haben. Und ich höre auch sonst wenig persönliche Geschichten über Rassismus-Erfahrungen. Die gibt es, das wusste ich schon vorher, aber eben nur aus den Medien.  

© Thomke Meyer für ZEIT ONLINE

 

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